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Neue erstinstanzliche Entscheidung gegen tarifvertragliche Verlängerung der Höchstüberlassungsdauer

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Anforderungen an Entleihertarifvertrag zur Höchstüberlassungsdauer – Entscheidung des BAG zwischen 4. und 21. Kammer des LAG Baden-Württemberg steht weiter aus – neue erstinstanzliche Entscheidungen schon gefällt
 

Unternehmen, die Zeitarbeit im großen Umfang einsetzen, hatten sich früh an die Gestaltung eines Entleihertarifvertrags gemacht, der die gesetzliche Grenze der Höchstüberlassung von 18 Monate auf ein Vielfaches erweitert. Bekanntes Beispiel ist der TV-LeiZ der Metall- und Elektroindustrie, der die Höchstüberlassungsdauer auf 48 Monate festlegte.

Bei Überschreitung der Höchstüberlassungsdauer werden die Verträge zwischen Arbeitnehmer und Verleiher sowie Entleiher und Verleiher unwirksam und es wird ein Arbeitsverhältnis zwischen eingesetztem Arbeitnehmer und Entleiher gesetzlich konstruiert.

Auf ein solches Arbeitsverhältnis klagten zwei Arbeitnehmer, deren Verfahren zwar beide vor dem LAG Baden-Württemberg geführt wurde, die aber unterschiedliche Ergebnisse erhielten, da einmal die 4. Kammer und einmal die 21. Kammer entschied.

Während die 4. Kammer ein Arbeitsverhältnis feststellte (Urteil vom 02.12.2020 - 4 Sa 16/20), lehnte dies die 21. Kammer ab (Urteil vom 18.11.2020 - 21 Sa 12/20).

Das BAG plante ursprünglich die Verhandlung in diesen Verfahren für den 26.01.2022 (Az. 4 AZR 26/21 und 4 AZR 83/21). Verlegte den Termin aber kurzfristig, bislang noch ohne Ersatz.

Indes liegt zu dieser Rechtsfrage das nächste Verfahren vor und hatte sich das Arbeitsgericht Iserlohn mit der Klage eines Leiharbeitnehmers zu befassen, der bereits länger als 18 Monate aber noch nicht so lange, wie der betreffende Entleihertarifvertrag erlaubt, eingesetzt war.

Mit Urteil vom 22.12.2021 (Az. 1 Ca 751/21) entschied sich das Gericht für die Variante der 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg und bestätigte ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher.

Das Arbeitsgerichts Iserlohn betrachtet für diese Frage zunächst die beiden Varianten des § 1 Abs. 1b Satz 1 erster und zweiter Halbsatz, worin zum einen dem Verleiher untersagt wird, länger als 18 Monate zu überlassen und zum anderen dem Entleiher verboten wird, länger als 18 Monate tätig werden zu lassen. Das Gericht beurteilt, ob bereits an dieser Unterscheidung festgemacht werden kann, auf welches der beiden Verbote sich die Tariföffnungsklausel bezieht, stellt im Ergebnis aber fest, dass zur Umsetzung des erklärten Willens des Gesetzgebers die tariflichen Abweichungen auf beiden Ebenen greifen müssen. Anderenfalls würde trotz Tarifvertrag auf Entleiherseite, der Verleiher dennoch gegen die Höchstüberlassungsdauer verstoßen. Die Möglichkeit der Abweichung durch Entleihertarifvertrag nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG wirkt also ausdrücklich auch für den Verleiher.

Fraglich ist dann also wie der Entleihertarifvertrag Wirkung entfaltet, ob er also als Inhaltsnorm für eine unmittelbare Wirkung eine beiderseitige Tarifbindung erforderlich macht, der Arbeitnehmer also auch tarifgebunden sein muss. Oder ob er als Betriebsnorm die alleinige Tarifbindung des Entleihers ausreichen lässt.

Anschaulich stellt das Arbeitsgericht Iserlohn sodann die Unterschiede zwischen Inhaltsnorm und Betriebsnorm dar. Während die Betriebsnorm übergeordnete Regelungen für betriebliche Fragen trifft, die unmittelbar die Organisation und Gestaltung des Betriebs im Ganzen anbelangen und über Einzelverträge zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber hinausgehen, regeln Inhaltsnormen allein letzteres. Bei beiderseitiger Tarifgebundenheit bestimmen Inhaltsnormen direkt das Arbeitsverhältnis im Einzelnen. Auf weitere Arbeitsverhältnisse, die der Arbeitgeber führt, kommt es nicht an. Betroffen sind hierbei allein die beiden Vertragspartner.

Im Folgenden schließt sich das Arbeitsgericht Iserlohn dem Urteil der 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg an, wonach der Entleihertarifvertrag eine Inhaltsnorm ist und eben nur dann wirksam von der 18monatigen Höchstüberlassungsdauer abweicht, wenn beide Vertragspartner tarifgebunden sind.

Es trennt zunächst noch einmal danach, auf welchen Sachverhalt sich der Entleihertarifvertrag bezieht und stellt klar, dass er bspw. bei der Zusammensetzung des Kollektivs, also der Leiharbeitnehmerquote im Betrieb durchaus eine Betriebsnorm darstellt. Dort, wo der Entleihertarifvertrag aber Einfluss auf das Arbeitsverhältnis zum eingesetzten Leiharbeitnehmer nimmt, indem er die Dauer des Einsatzes festlegt, stellt er eine Inhaltsnorm dar.

Ohne eine Bindung des Leiharbeitnehmers an den Tarifvertrag aufgrund Gewerkschaftszugehörigkeit, kann der Entleihertarifvertrag in Sachen Höchstüberlassungsdauer daher keine Wirkung entfalten. Es bleibt bei den gesetzlichen 18 Monaten. Werden diese überschritten, in der Annahme einer wirksam vereinbarten Abweichung, droht regelmäßig die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn buchstabiert umfassend die gesamte Rechtsfrage durch und differenziert erfreulich ausführlich und anschaulich. Es ist nicht rechtskräftig und steht zur Überprüfung des LAG Hamm. Auch wegen der weiteren Kernfrage des Verfahrens, ob die Auslagerung des Arbeitsplatzes, auf dem der Kläger beim Entleiher tätig war, auf eine Drittfirma die tatsächliche Weiterbeschäftigung verhindert.

Bleibt abzuwarten, welches Gericht die Frage eher klären wird, das BAG zu den Urteilen des LAG Baden-Württemberg oder das LAG Hamm zum vorliegenden Fall.

Sollte sich die Ansicht der 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg bzw. des Arbeitsgerichts Iserlohn durchsetzen, droht der Branche neues Ungemach. Die 18 Monate gesetzliche Höchstüberlassungsdauer dürften dann zur Regel werden, da die seitens der Arbeitnehmer nur eine geringe Tarifgebundenheit besteht, diese aber eben Voraussetzung für die jeweiligen Tarifverträge der Einsatzbranche/Entleihertarifverträge zur Abweichung von der Höchstüberlassungsdauer wäre.

 


Christiane Höppner
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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